Theatergeschichtliche Voraussetzungen
Die entscheidende Zäsur in der Theatergeschichte Meiningens ist die Übernahme der Regentschaft durch Georg II. im Jahre 1866. Mit ihm trat nicht nur in Liebhaber und Mäzen an die Spitze des Hoftheaters, sondern ein tätiger Künstler mit umfassenden Kenntnissen der europäischen Theaterszene. Er profilierte sein Theater zu einem Schauspielhaus, führte Regie und entwarf, sein zeichnerisches Talent nutzend, alle Bühnenbilder und Kostüme. Musterinszenierungen dramatischer Meisterwerke entstanden, die ein größeres Publikum verdient hatten, als es das kleine Meiningen bieten konnte.
Die Idee der Gastspielreisen trat in die Welt. „Die Meininger kommen!“ wurde zwischen 1874 und 1890 zu einem vielfach gehörten Ruf, der geschätzte zwei Millionen Zuschauer in die berühmt gewordenen Klassiker-Vorstellungen (Shakespeare, Schiller, Kleist, Grillparzer, Ibsen) zog, die das Hofschauspielerensemble während seiner 81 Gastspielreisen durch Deutschland und Europa, von Stockholm bis Triest, von London bis Moskau, gab.
Immer wieder sind es die Bühnendekorationen gewesen, die aufgrund ihrer Neuartigkeit und Pracht sowohl bei den Regisseuren und Schauspielern, aber auch bei den Feuilletonschreibern und vor allen Dingen beim Publikum für das größte Aufsehen gesorgt haben. Jedoch war die in Meiningen gepflegte intensive Beschäftigung mit Dekorationsfragen kein Selbstzweck. Bereits 1879 hatte der Theaterherzog Georg II. erklärt, dass ihm „das Malerische, die Ausstattung, nie Hauptsache ist einem Dichtwerk gegenüber, dass im Gegenteil ein derart auf das Äußerliche sich konzentrierender Sinn in mir den entscheidensten Gegner finden würde“.
Im Rahmen einer Gesamtkunstwerkkonzeption sollten die Meininger Bühnendekorationen zu einer malerischen Bildwirkung der Inszenierungen beitragen, das Agieren der Schauspieler unterstützen und der Regie eine lebensnahe Spielgestaltung erleichtern. Letztendlich beabsichtigte der fürstliche Theatermacher, über die durch Raum- und Zeitillusion beförderte emotionale Wirkung, dem Publikum den intellektuellen Gehalt der Dichtung nahe zu bringen.
Handzeichnung und Bühnenbild Schäfergegend (Ein Wintermärchen)
Die Bühnenbilder ließ der Theaterherzog in dem berühmten Coburger „Atelier für szenische Bühnenbilder“ malen. Die Inhaber, Max und Gotthold Brückner, verstanden es meisterlich, die szenischen Ideen des Theaterherzogs in großflächige bühnenfüllende Landschaftspanoramen und stimmungsvolle Innenraumdekorationen umzusetzen. Naturtreue, Echtheit und Realismus in der Darstellung von Handlungsort und –zeit, Akribie und Leichtigkeit im Detail, meisterlich empfundene Farbigkeit und Sicherheit im Umgang mit den Gesetzen der Bühnenperspektive waren die Vorzüge der Brücknerschen Malerei, die Georg II. veranlassten, beinahe alle Dekorationen, die sein Ensemble für die Gastspielreiseinszenierungen benötigte, in diesem Atelier anfertigen zu lassen.
Nur in Zeiten der totalen Überlastung der Brücknerschen Werkstatt, auf deren Arbeiten auch der Reformator des Musikdramas, Richard Wagner, nicht verzichten wollte, kamen gelegentlich andere Werkstätten mit hohem Qualitätsstandard zum Zuge. So erging ein Teilauftrag für die Neuausstattung der Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ an die Wiener Firma Kautsky. Nachweisbar sind ebenso Aufträge an den Dekorationsmaler Lehmann in Pest für die Inszenierung „Das Käthchen von Heilbronn“.
Die Ausstellung
Die theatergeschichtliche Ausstellung in der ehemaligen Reithalle schickt den Besucher auf eine Reise in die Zeit des Historismus und Illusionismus, der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch das Wirken so hervorragender Theaterleiter wie Eduard Devrient, Friedrich Haase und Franz von Dingelstedt an den deutschen Bühnen auszubreiten begann. Zum Zentrum und Vollender dieser Stilrichtung avancierte das Meininger Hoftheater, das mit seiner Inszenierungskunst eine Reform des Theaterspielens einleitete und maßgeblich prägte.
Zauberwald (Ein Sommernachtstraum), Hohle Gasse (Wilhelm Tell)
Im Mittelpunkt der Präsentation stehen die originalen Bühnendekorationen der „Meininger“, die bis heute nichts von ihrem ursprünglichen Reiz eingebüßt haben. Bühnenbilder zu den Stücken „Wallensteins Lager“, „Ein Sommernachtstraum“, „Das Wintermärchen“, „Wilhelm Tell“, „Hamlet“ und „Das Käthchen von Heilbronn“ waren bisher ausgestellt.
Ludwig Barnay Josef Kainz Amanda Lindner
Im 1. Obergeschoss werden szenografischen Entwürfe Herzog Georgs II. , Rollenfotos berühmter Mimen des Meininger Hoftheaters, deutsche und ausländische Theaterzettel, wertvolle Autographe, Requisiten, Kostüme und Preziosen aus der Gastspielreisezeit gezeigt. Außerdem gibt diese Ebene den Blick auf die historischen Bühnenbilder frei – wie aus dem 1. Rang eines Theaters. Einem Mosaik gleich, und soweit das heute noch möglich ist, entsteht aus den einzelnen Ausstellungskomplexen eine Vorstellung vom Ganzen der einst Aufsehen erregenden, lebendigen Inszenierungen, die so nur in Meiningen gewonnen werden kann.
Szenenlichtbeispiele, Lager vor Pilsen (Wallensteins Lager)