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18. April bis 8. September 2019

Unterm Strich
Karikatur und Zensur in der DDR

Schloss Elisabethenburg, Obere Galerie

Im Jahr 1989 läuteten Massenflucht und anschließende friedliche Revolution das Ende der Deutschen Demokratischen Republik ein. Vierzig Jahre war der „erste sozialistische Staat auf deutschem Boden“ geworden. Die Wanderausstellung der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zeigte die Spielräume und Grenzen der Karikatur in der DDR. Sie präsentiert „optisches Juckpulver“ aus Privatbesitz, Museen und Archiven, eingebettet in den historischen Kontext. Fotos, Dokumente und audio-visuelle Medien machten die Rahmenbedingungen der Entstehung und Verbreitung gezeichneter Satire anschaulich. Der Blick auf die Karikaturen bot einen unterhaltsamen Gang durch die Geschichte der DDR. Wer sie erlebt hat, konnte vieles wiedererkennen, wer nicht, hatte die Chance, vieles besser verstehen. Den Einführungsvortrag zur Ausstellung hielt Eva-Maria von Máriássy, Direktorin der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung Greiz. Katja Wollschläger und Wolfgang Semleit (ehemals „Leimtiegel“) luden zu einem musikalischen Spaziergang durch die DDR ein.

 

Begleitet wurde die Ausstellung durch das Projekt: Das wäre mir eine Karikatur wert!

Unter diesem Motto riefen die Meininger Museen im März dazu auf, Selbsterlebtes aus der DDR- und Wendezeit in Form von Anekdoten oder Kurzgeschichten niederzuschreiben. Die Kurztexte wurden durch den bekannten und preisgekrönten Cartoonisten RABE in Bilder umgesetzt. Eine Präsentation dieser Karikaturen erfolgte zunächst in der Ausstellung sowie in der Regionalpresse.

 

Die Geschichten und Karikaturen:

Stasi allein zu Haus
von Michael Wagner, Meiningen

Nach der Ausbürgerung Biermanns aus der DDR 1976 hatten insbesondere Berliner Künstler einen Brief an das Zentralkomitee geschrieben. Einen sehr freundlichen Brief mit der Bitte, die Ausweisung Biermanns aus der Staatsbürgerschaft der DDR noch einmal zu überdenken. Dieser Brief wanderte sehr schnell nach Jena, und über Freunde auch zu mir. Was tun? Vervielfältigen? Undenkbar. Aber warum sollte ich diesen Brief nicht für mich abschreiben und nach Berlin an das Zentralkomitee und an den Schriftstellerverband mit meiner Unterschrift und natürlich mit meinem Absender schicken. Gesagt, getan. Dieses Ziel hat er, wie ich heute weiß, nie erreicht.

Nach zwei Tagen, genau am Totensonntag 1976, erschienen in Begleitung meines Chefs (Herrn Superintendent Körner) zwei Herren vom Rat des Kreises bei mir. Und sie redeten mit mir. Zu meinem Schutz, sagten sie, seien sie gekommen und wollten mich vor weiteren Schritten, die ich bereuen könnte, bewahren. Naja und so weiter. Nach etwa einer Stunde meinte ich, es sei alles gesagt und ich doch nun zu Abend essen müsste. Was ich dann auch vor ihren Augen tat. Sie schauten mir zu. Nach einer gewissen Zeit …, ja wir müssten doch nach mal reden - also wieder eine halbe Stunde immer das Gleiche. Dann wurde mir das aufgezwungene Gespräch doch zu dumm. Ich zu diesen Herrn unmissverständlich: „Wenn Sie jetzt nicht gehen, dann gehe ich“. Und das tat ich dann auch. Ich verließ meine eigene Wohnung Kirchplatz 1 in Meerane und ließ die beiden Herrn (Stasimitarbeiter, wie ich inzwischen weiß, mit Technik in der Tasche um alles aufzuzeichnen) sitzen. Erst am nächsten Tag bin ich in meine Wohnung zurückgekehrt. 6 Wochen standen dann, für alle sichtbar, zwei Herren vor meiner Tür. Natürlich alles nur zu meinem Schutz.

 


Unbekannte Früchte
von Renate Schreyl, Steinbach-Hallenberg, OT Altersbach

Im Dezember 1991 fuhr ich mit meiner Familie zum Geburtstag der Patentante nach Bad Königshofen. Tags darauf machten wir einen Stadtbummel und kamen natürlich auch zum Markt. Zahlreiche Händler hatten ihre Waren ausgebreitet.

Besonders viel Obst war im Angebot. Manche Früchte hatte ich noch nie gesehen. Ich fragte Pate Elfriede: „Was sind denn das für komische Kartoffeln?“ „Das sind Kiwis aus dem fernen Neuseeland! Sie schmecken ähnlich wie Stachelbeeren“ belehrte mich die Pate.

Weitere Fragen stellte ich nicht, denn ich kam mir ziemlich dumm vor.

 

 

Eine Episode am Hermsdorfer Kreuz 1977
von Beate Tropschug, Meiningen

In den Jahren 1976 – 1979 absolvierte ich eine Berufsausbildung mit Abitur in Karl-Marx-Stadt. An den Wochenenden mussten und wollten wir nach Hause nach Meiningen fahren. Die Fahrt mit dem Zug dauerte bei mehrmaligem Umsteigen ziemlich lange, Auto hatte zu dieser Zeit niemand von uns und so bin ich mit einer Freundin einige Male getrampt. Einmal erwischten wir einen Fahrer, der uns unbedingt am Hermsdorfer Kreuz aussteigen lassen wollte, da er ab da einen anderen Weg hatte. Unser mehrmaliger Einwand, doch nicht mitten am Hermsdorfer Kreuz aussteigen zu können, ignorierte er völlig und hielt unbeirrt an. Brav stiegen wir aus und kamen uns ziemlich hilflos vor. Aber nicht wegen des Verkehrs, der war absolut überschaubar zu dieser Zeit. Wir irrten etwas umher und versuchten, an eine günstige Stelle Richtung Erfurt zu kommen.

Nach einigen Minuten griff uns ein Polizist auf, der uns natürlich längst gesehen hatte und nahm uns zu dem Verkehrsüberwachungsturm mit. Dort erhielten wir eine Standpauke, wir könnten doch nicht Serpentinen und Tangenten laufen mitten auf dem Autobahnkreuz. Nach unseren Erklärungen bekamen wir eine „furchtbare Strafe“: 1 Mark und einen Ordnungsstrafzettel!!!!

Aber die Lust am Trampen war uns doch für einige Zeit genommen.

 


Ein Ausflug 1989 mit einem Trabant 601 zum Kreuzberg
von Beate Tropschug, Meiningen

Kurz nach der Grenzöffnung unternahm unsere Familie einen Ausflug zum Kreuzberg. In dem Trabi fuhren mit: mein Mann als Fahrer, meine Mutter, meine erwachsene Schwester, unsere 4- und 5jährigen Kinder und ich. Es lag Schnee, als wir endlich auf dem oberen Parkplatz  angekommen waren und ausstiegen, sah uns eine Familie aus dem „Westen“ zu und sie meinten: „Um Himmels Willen, wie viele steigen denn da noch aus!!!“  

 


Ganz unten
von Rita Fulsche, Neubrunn

In einem Sommer Mitte der 1980er Jahre verkündet der Buschfunk: Am Donnerstag verkauft die Volksbuchhandlung in Meiningen Günter Wallraffs  Buch „Ganz unten“.

Glücklicherweise hat mein Mann an diesem Tag in Meiningen zu tun. Ich bitte ihn deshalb, unbedingt in der Buchhandlung vorbeizuschauen und mir mit etwas Glück das Buch mitzubringen. Buchtitel und Autor soll er sich gut merken. Nachdem mein Mann alle seine Wege in Meiningen erledigt hat, geht er zum Schluss noch in die Buchhandlung. Hilflos suchend schaut er sich um, geht gebückt alle Regale ab. Daraufhin fragt ihn die Buchhändlerin, was er denn suche. „Ich soll meiner Frau unbedingt ein Buch mitbringen, weiß aber nicht mehr wie es heißt und wer es geschrieben hat“ sagt darauf mein Mann. „Ich weiß nur noch, dass es ganz unten im Regal steht.“

Natürlich wusste die Buchhändlerin, welches Buch gemeint war. Es steht noch heute in meinem Bücherregal.

 

 

Spuren im Schnee
von Rita Fulsche, Neubrunn

Anfang der 1960er Jahre hat es zu den Aufgaben der Forstarbeiterinnen des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Meiningen gehört, den 500 m – Streifen an der Grenze von Bewuchs freizuschneiden. Im besagten Jahr ist es im Februar, als die Frauen nach Gleimershausen an die Grenze gefahren werden. Dort werden sie von Grenzsoldaten in Empfang genommen, die dann den ganzen Tag über in ihrer Nähe bleiben.  An einem Tag ist die Arbeit besonders beschwerlich. Es ist kalt und neblig und der angetaute Schnee sehr rutschig. Annerose musste austreten. Verständlicherweise will sie das nicht unter den Augen der Grenzsoldaten tun. Deshalb zieht  sie sich ein Stück weit weg hinter eine dichte Hecke zurück.

Eine Stunde später kommen zwei Armeefahrzeuge angebraust, zwei Offiziere steigen aus und fordern die Frauen auf, alles stehen und liegen zu lassen und sofort in die Autos einzusteigen. Sie werden zum Grenzstützpunkt gebracht und müssen dort ein hochnotpeinliches Verhör über sich ergehen lassen. Grund für die ganze Aufregung:
Spuren im Schnee hatten Grenzalarm ausgelöst. Annerose hatte in den Westen gepinkelt.

 

 

Brautmacher in Uniform
von Gudrun Kühner, Föritztal

Ich war 19 Jahre alt und hatte einen Freund im Sperrgebiet. Kirmes war immer ein Höhepunkt im Dorf und ich sollte zu Besuch kommen. Ohne Passierschein ging das natürlich nicht und so reichte mein Freund drei Wochen zuvor beim ABV des Dorfes diese Genehmigung ein. Er erfuhr, dass die Erfolgsaussichten besser wären, wenn ein Verwandtschaftsgrad vorliegt. So schrieb er in die entsprechende Spalte „Verlobte“. Der Schein wurde genehmigt und ich fiel aus allen Wolken, als ich das las.

Ein ABV hatte für mich die gleiche Autorität wie ein Standesbeamter. War ich nun verlobt oder nicht??? Ich weiß es bis heute nicht, aber verheiratet sind wir schon 42 Jahre, das weiß ich! Da zwar von einem echten Standesbeamten getraut.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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