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20. November 2003 bis 12. April 2004

Hexen in Thüringen

Schloss Elisabethenburg, Obere Galerie


Protokoll (Auszug aus einem Prozess gegen Elisabeth von der Linden aus Walldorf, 1659)
Ob sie nicht mitt dem bösen Feinde Unzucht getrieben? Nein.
Ob sie nicht die Teuffelstäntze besuchet? Nein.
Ob sie nicht ihren vorigen Mann und Kindter bezaubert und gesterbet? Nein, das habe sie nicht gethan.
Urteil: Tod durch das Feuer.

Entsprechende Prozesse ereigneten sich zu Hunderten im Meininger Land. Die Fragen, die der vermeintlichen Hexe gestellt wurden, ähnelten sich. Nicht alle, aber die meisten gestanden, ob mit oder ohne Folter. Und darauf folgte in aller Regel nach dem öffentlichen Verlesen des Geständnisses die Verbrennung bei lebendigem Leibe. Nur in Ausnahmefällen widerstanden die Frauen, die viel häufiger als Männer unter Verdacht fielen. Wenn Ehegatten oder Angehörige sich zu den Beschuldigten bekannten, so konnten sie sich doch nur in den seltensten Fällen einen Rechtsbeistand leisten. Einige wenige Angeklagte wurden freigesprochen, andere für den Rest des Lebens des Landes verwiesen. Ihr Ruf war in jedem Fall ruiniert.

Geschehnisse, wie soeben geschildert, haben sich aber nicht im Mittelalter ereignet, sondern liegen meistens nur 300 Jahre zurück. In Afrika und anderswo findet Ähnliches sogar noch heute statt. Die Denunzianten waren in den meisten Fällen die eigenen Nachbarn. Dabei konnte es jeden treffen. Wie andernorts nahmen Meininger Behörden die Anzeigen auf und setzten das Inquisitionsverfahren in Gang. Die Kirche war an den Verfahren nicht beteiligt, doch verfassten Geistliche in Südthüringen Brandreden wider die Hexerei.

Da in der Stadt Meiningen vor allem im 17. Jahrhundert eine recht hohe Anzahl von Frauen und Männern der Hexerei bezichtigt wurden, was nicht selten auch zu drakonischen Strafmaßnahmen führte, bot es sich geradezu an, nach Hamburg, Luxemburg oder Berlin auch in Meiningen eine Ausstellung zu dieser historischen Sachlage auszurichten. Diese berichtete zunächst von den Geschehnissen, die der südthüringischen Stadt den traurigen Ruhm einbrachte, ein Zentrum der Hexenverfolgung gewesen zu sein, auch weit über lokale Grenzen hinaus. Weiterhin wurden die verschiedenen „Bilder“ von der „Hexe“ vorgestellt, die von der buckligen Märchenhexe über die als Dorfhexen verschrieenen Frauen bis hin zu den selbstbewussten modernen Hexen reichen. Außerdem war an eine Auseinandersetzung mit der Frage gedacht worden, wie es zu diesen Vorstellungen kam. Eine Privatsammlung von Amuletten und Talismanen dokumentierte die große Bedeutung des Aberglaubens. Auch wurden Hexen und Heilige, Heil- und Giftpflanzen gegenüber gestellt, um weithin verbreitete polarisierende Klischees aufzulösen.


Es zeigt sich, dass die verschiedenen Vorstellungen von Hexen, ob sie nun den Tatsachen entsprechen oder nicht, die Gemüter bis heute immer wieder erregen und beschäftigen. Die Menschen machen sich bewusst oder unbewusst ihr Bild. Beispielsweise haben Kinder aus Meiningen und Studenten der Bauhaus-Universität Weimar ihre Vorstellungen einfallsreich umgesetzt. Ein Blick in die Kunstgeschichte, von der Höhlenmalerei bis zur Postmoderne, widerspiegelt die Vielfalt dieser Bilder.
 

Parallel zur Ausstellung der Meininger Museen zeigte die Städtische galerie ada Meiningen gemeinsam mit der Dresdner Bank die Exposition: Geheimnisse zwischen Folter und Zauberei, Hexen: Erfahrung - Märchen - Phantasie. Über 20 Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland und Österreich machen sich mittels unterschiedlichster Kunstarten ihr Bild vom Hexenphänomen. Die Ausstellung ließ mittels Bildender Kunst vorherrschenden Klischees in der Gesellschaft hinterfragen und wollte zu einer ernsthaften Spurensuche nach dem Wesenhaften des Hexenphänomens ermutigen.

Da eine „gegenständliche“ Ausstellung längst nicht alle Facetten dieses Themas beleuchten kann, fand ein reiches Begleitprogramm statt, das neben Führungen, Soireen sowie Fachvorträgen auch Kräuterwanderungen und ganz spezielle Veranstaltungen für Kinder enthielt. In der Reihe „Südthüringer Forschungen“ ist ein die Ausstellung begleitender Aufsatzband erschienen, der neben diversen Beiträgen über die Hexenverfolgung im Henneberger Land, Martin Luthers Position gegenüber Hexerei und Zauberei, auch Darstellungen zu Ludwig Bechsteins Hexensagen, zu Hebammen oder Totenfrauen umfasst.

 


Text 2:

„Zittert, zittert, die Hexen sind wieder da!“

Mit diesem Ruf demonstrierten erboste Frauen gegen die Entscheidung eines laschen italienischen Gerichts, einen Vergewaltiger und Mörder einer jungen Frau mit einer unerheblichen Strafe wieder freizulassen. Dieses Ereignis von 1977 wird gemeinhin als Anfangspunkt einer neuen Strömung, mehr noch, einer mächtigen Bewegung gesehen: die der Neuen Hexen.

Mit diesem Ruf „... die Hexen sind wieder da“ benutzten die Frauen einen gemeinhin schlecht beleumundeten Begriff, bezogen ihn auf sich und setzten ihn bewusst provokativ ein. Denn bisher galt die Hexe weltweit als ein unheimliches Wesen, die mit Schadenzauber und im Bunde mit dem Teufel Unheil anrichtet. Nun aber setzte ein nahezu totaler Begriffwandel in den Städten Europas und der USA ein. Vornehmlich Frauen bezeichnen sich bewusst und provokativ als Hexen, mehr noch, sie sind stolz darauf, solche zu sein: Der bisher einseitig negativ belastete Begriff Hexe wandelte sich nun zu einem positiven Synonym für Kraft und Unabhängigkeit. Unter Neuen Hexen verstand man nun weise und starke Frauen als Vermittlerinnen zwischen Menschen und magischen Kräften der Natur und als Heilerinnen oder Helferinnen in vielen Lebenslagen.

Bei ihnen treffen Strömungen der Ökologiebewegung, des Feminismus, New-Age und Neo-Paganismus aufeinander. Dabei haben sich Neue Hexen nicht nur als Modeerscheinung erwiesen, sondern als eine äußerst vielschichtige spirituelle Bewegung, die unabhängig von den existierenden Amtskirchen keine einheitliche Religion mit einer Doktrin oder gar einer Führung anstreben. Unter diesem Sammelbegriff sind fest etablierte Zirkel, lockere Ritualgruppen und „freifliegende“ Hexen, die sich keiner Organisation zugehörig fühlen, anzutreffen. Natürlich sich die Neuen Hexen auch schon jetzt Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen wie von Religionswissenschaftlern oder Ethnologen.

Dieser soeben geschilderte Bereich war Bestandteil einer Ausstellung über „Hexen in Thüringen“ in den Meininger Museen. Diese Schau war aufgegliedert in mehrere Teilbereiche – in mehrere Sichtweisen, wie eben Hexen gesehen werden (können). Denn immer wieder fiel auf, dass ausdauernd und emotional über dasselbe Thema - „Hexen“ - geredet werden kann und doch meint jeder Gesprächspartner etwas anderes. Viele kennen die Hexe wie im Märchen von Hänsel und Gretel oder die Baba Jaga. Als solche verkleidet geht so mancher mit der Freude, unerkannt mit möglichst abstoßender Erscheinung erschrecken zu können, zum Karneval. Auch die südthüringischen „Hollefrauen“ in noch vorhandenen alten Bräuchen verkleiden sich zunehmend als Hexen. Schließlich sind auf vielen Dörfern Hexen ebenfalls noch ein Begriff, hier aber wiederum anders: Meistens alte, vielleicht auch besonders eigensinnige Frauen werden als solche bezeichnet. Diese würden Schadenzauber verüben und so Unfälle und anderes Unglück verursachen. Aus diesem Grunde – zum Schutz vor Verhexung – trägt noch so mancher die Unterwäsche links herum und vermeidet, einer vermeintlichen Hexe gegenüber, dreimal hintereinander „Ja“ zu sagen. Auch geht manche junge Mutter nicht ohne Bibel im Kinderwagen aus dem Haus ...

Aber soeben geschildertes wäre nicht allein ein Anlass, nach Meiningen zu fahren. Denn die Stadt ist nicht nur als Anziehungspunkt durch Theater und Residenzschloss bekannt, sondern – leider – auch durch die „historischen“ Hexen. Mindestens seit Ludwig Bechsteins Zeiten war geläufig, dass sich in Meiningen eine ganze Reihe von Hexenverfolgungen ereignet haben. Der 1801 in Weimar geborene, dann in Meiningen lebende Märchendichter hatte eine ganze Reihe von Hexenmärchen und -sagen veröffentlicht, die zum Teil auf historisch überliefertem Aktenmaterial basieren. Dank einer Dissertation über Hexenverfolgungen in Thüringen gilt es nun als erwiesen, dass sich im Henneberger Land um Meiningen herum knapp die Hälfte aller Hexenprozesse Thüringens ereignet haben. Lediglich die Orte Georgenthal, Mühlhausen und Nordhausen haben noch eine nennenswerte Anzahl an Verfolgungen aufzuweisen. Im übrigen Thüringen blieb es auch zu Zeiten des schlimmsten Hexenwahns ruhig. Erfurt als einzige Großstadt Thüringens galt als sicher ... Die Meininger Ausstellung „Hexen in Thüringen“ beleuchtet Ursachen und Hintergründe des südthüringischen Hexenwahns ... Begleitend dazu fanden zahlreiche Veranstaltungen und Soireen statt.
Die Ausstellung war in drei Stationen aufgegliedert: Der größte und mit den oben geschilderten Abschnitten ist im Schloss Elisabethenburg aufgebaut. Weitere Teilbereiche über Hexen in der gegenwärtigen Kunst – wie Künstler heute sie sehen – wurden in der Städtischen galerie ada und in der Dresdner Bank gezeigt.
 

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