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16. Mai bis 31. Oktober 2010

In verschwiegener Landschaft
Heinz Zander - Malerei und Zeichnung

Schloss Elisabethenburg, Obere Galerie
Katalog mit allen Bildern der Ausstellung im Museumsshop
Artikelserie: Heinz Zander in Meiningen

Die Meininger Museen präsentieren im Sommer 2010 im Schloss Elisabethenburg eine große Ausstellung mit Werken des in Leipzig beheimateten Malers, Zeichners und Grafikers, auch Buchautor und Schriftsteller, Heinz Zander eröffnen. Die im Folgejahr seines siebzigsten Geburtstags zusammengestellte Exposition wird etwa 100 Gemälde und Zeichnungen des Künstlers aus drei Jahrzehnten umfassen. Neben etlichen prominenten Belegstücken aus früheren Schaffensphasen werden auch zahlreiche Werke des mit diesem Jahr zu Ende gehenden Dezenniums in die Meininger Museen Einzug halten, die einer breiteren Öffentlichkeit vielfach bislang noch unbekannt sind.


Heinz Zander gehört der zweiten Generation der sogenannten „Leipziger Schule“ an. Seit seinem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig in der ersten Hälfte der 1960er Jahre ist er einer Bildkunst fähig, die ihn als einen handwerklichen Virtuosen und ideenreichen Fabulierer auszeichnet und durch zahlreiche poetische, mythologische oder philosophische Reminiszenzen geradezu literarisiert erscheint. Sein umfangreiches Bild-Oeuvre, inzwischen weithin in öffentlichen und privaten Sammlungen verstreut, ist ein signifikanter Ausdruck der Beunruhigung und Verwirrung über die zunehmende Entfremdung des Individuums und die Versachlichung der Kultur. Zanders herausstechender Beitrag zu diesem Thema ist eine Kunst der krassen Gegensätze, die Märchenhaftes und Bedrohliches, Vitales und Morbides, Verführerisches und Abstoßendes fortwährend zusammen führt, um dem schönen Schein eine grausame Wahrheit, einer fiktiven Welt die Abgründe der Realität gegenüberzustellen. 

 

       

 

Zanders unverkennbaren Bilderfindungen liegt der Formenreichtum und Geistesgehalt eines opulent inszenierten Welttheaters zugrunde. Ein dauerndes Sichwandeln ist eines der Hauptmerkmale seiner Kunst. Durch eine raffinierte Technik der Kreuzung und Überschneidung der Motive, durch die Schaffung synthetischer, oft grotesker bis grausiger Figuren und Szenerien, gelingt es ihm, vielerlei Geschehenszüge und Sinnschichten simultan und modellhaft zu vereinen. Dabei gleichen Zanders Bilder geradezu ausschweifenden Darbietungen aus Farben und Tönungen, fremdartigen und vertrauten Form- und Dekorationselementen, die nicht selten von höchst poetischen Erscheinungen durchsetzt sind.

Vor allem der Manierismus des 16. Jahrhunderts, die Kunst des Kapriziösen, Überfeinerten oder Bizarr-Phantastischen prägte nachhaltig die bildnerische Grundauffassung und das künstlerische Selbstverständnis Zanders. Sein beinahe enzyklopädischer Wissensschatz umfasst aber noch andere Kunstepochen wie er sich auch auf diverse Leistungen der Literatur und Theaterkunst bei der Erarbeitung seiner eigenen Bildschöpfungen bezieht.

Wie schon bei früheren Ausstellungen entfaltet sich auch diesmal Zanders labyrinthisches Universum in einer künstlich geschaffenen Welt – im konkreten Fall  „In verschwiegener Landschaft“, die sich in der Realität wohl nur schwerlich finden lässt. Abermals steht dieses begrenzte Areal, diese zusammengesetzte und mehrschichtige Kunstwelt, für einen ganz besonderen visuellen wie geistigen Projektionsraum, der voller Symbolbedeutungen und vielfältiger Wirklichkeitsreflexe ist. Genügend Zündstoff also für eine spannende und nachhaltige Ausstellungsvisite, die sicher nicht in jedem Fall zur gänzlichen Auflösung manch rätselhafter Vorlage des Künstlers führen wird.

 

Zwei Künstler aus der Leipziger Schule
Heinz Zander und Horst Sakulowski – Schüler von Bernhard Heisig, Leipzig
20 Jahre Städtische galerie ada Meiningen:

Horst Sakulowski – Vom sichtbaren Maß
Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Objekte, Videoarbeiten
19.6.2010 – 16.1.2011
Di – So, Feiertag: 15 – 20 Uhr
Vernissage: 19. Juni ● 16:00
www.meiningen.de

 


Artikelserie: Heinz Zander in Meiningen

Der Direktor der Meininger Museen, Winfried Wiegand, setzt sich mit einzelnen Exponaten der aktuellen Heinz-Zander-Exposition auseinander und erläutert kunstwissenschaftliche Hintergründe.

 


(1) Heinz Zander in Meiningen - Das Fräulein von Waldenburg

Als Titelmotiv einer mehr als einhundert Gemälde und Zeichnungen umfassenden Zander-Ausstellung in den Meininger Museen führt das Fräulein von Waldenburg - so der Name dieser Schüssel tragenden Schönen - seit einigen Wochen eine sonderbare Schar aus mitunter äußerst skurrilen Bildgestalten an. Ihr Erfinder, der aus der zweiten Generation der Leipziger Schule kommende Malerpoet Heinz Zander, bezeichnet sie als „liederliche Gesellschaft“ unter die er sich auch selbst gern mischt, davon überzeugt, dass „alltägliche Figuren nichts bringen“. Beharrlich hat der mittlerweile siebzigjährige Künstler an der Entwicklung und Formierung dieser grotesken Truppe aus synthetischen Geschöpfen gefeilt. Mit seiner virtuosen altmeisterlichen Malkunst braucht er sie inzwischen nur noch zu erwecken, um sie weniger oder aufwändiger gewandelt in immer wieder neue Bildabenteuer zu schicken.

Resultat grenzenloser Phantasie

Auch das Fräulein von Waldenburg ist in seiner attraktiven Weiblichkeit ein Resultat der scheinbar grenzenlosen Phantasie des Künstlers. Auf einem früheren Gemälde (Waldenburger Elegie mit einem Rochen auf Blau, 1999) hat er diese Gestalt bereits verewigt. Die schönen jungen Frauen, die sich auf vielen anderen Bildern Zanders unnahbar oder verführerisch präsentieren, muten wie ihre Schwestern an und man meint sogar, ihr in Wirklichkeit bereits begegnet zu sein. Doch bei Zander geht es nicht um die Wiedergabe ganz konkreter Modelle. Vielmehr sind es Typen und Charaktere, die den Maler besonders inspirieren, so wie sie in der antiken Mythologie oder christlichen Ikonographie beschrieben werden, wie sie aber auch das alltägliche Dasein immer wieder hervorbringt. Undurchsichtig und ambivalent ist ihre Wesensart – das Fräulein von Waldenburg ist geradezu ein Musterexemplar dafür.

Sinnbild raffinierter Verführungskunst

Zunächst ist man von dessen Format füllender Eleganz und Schönheit berührt. In einem reich drapiertem Kleid, darüber ein schwerer Mantel von ähnlich edler Stofflichkeit, wächst das Fräulein wie eine imposante Bergspitze empor. Den Kopf mit wehendem, zu einem fülligen Knoten gebundenem Haupthaar über die rechte Schulter in Richtung Betrachter gedreht, der sich vor allem von einem sinnlichen Augenpaar, weich modellierten Wangen und prallen Lippen angezogen fühlt. Doch schon beim nächsten Blick kommen gewisse Zweifel auf, ist doch die entblößte Schulter - wie es eine Redewendung meint – auch Sinnbild für Kühle, Distanz und berechnende Überheblichkeit. Diese Einschätzung gewinnt noch weiter an Gehalt, wird das Fräulein mit der für raffinierte Verführungskunst stehenden biblischen Gestalt der Salome in Verbindung gebracht. Das Vorweisen der Schüssel deutet in jedem Fall auf eine solche Quellenlage hin, wenn auch die zu sehende grausige Kopfreliquie nicht unbedingt Erinnerungen an das abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers weckt. Für das also eher mit Vorsicht zu genießende Wesen der Dargestellten sprechen dann auch noch ein Rochen unter ihrem Kleid sowie der gefährlich nach hinten schwingende Haken ihrer Mantelschließe, an dem ein Blutstropfen prangt.
Wie Zanders eigenwilliger Figurenapparat durchgehend vermuten lässt, ist auch das Fräulein von Waldenburg von mehrdeutiger Identität. Während eine üppige Kostümierung, eine gezierte Gebärde und ein prächtiges Haupt eine schmucke und anziehende Fassade bilden, verbirgt sich dahinter ein Wesen, das Schönheit und Grauen, Verführung und Verderben gleichermaßen auf sich vereint.
 
Winfried Wiegand


Angaben zur Ausstellung:
Heinz Zander
In verschwiegener Landschaft
Malerei und Zeichnung
16. Mai bis 31. Oktober 2010, Schloss Elisabethenburg
Di – So, 10.00 – 18.00 Uhr
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erhältlich (136 S.).



Als Abbildung: Das Fräulein von Waldenburg, 2002   
Heinz Zander, Gemäldeaufnahmen, (September 2009)
Fotografien von Thilo Kühne, Demmeringstraße 20
04177 Leipzig
0171 2601705
www.photoplusdesign.de

 


(2) Heinz Zander in Meiningen - Puppenspielerinnen


Mit der bildnerischen Darstellung von Puppenspielerinnen hat sich der Maler Heinz Zander bereits mehrmals befasst. Die derzeitige große Sonderausstellung dieses prominenten Leipziger Künstlers im Schloss Elisabethenburg bietet gleich zwei bemerkenswerte Gemäldeversionen zu diesem Thema - so aus den Jahren 2002 und 2007.

Fragwürdiges Puppenspiel
 
Auf beiden Bildern dominiert eine schöne Frau, die allerdings mit kühlem und geradezu unnahbarem Blick auf ihrem Schoß ein grässliches Puppenwesen präsentiert. Ist das Antlitz der Frauen zwar abweisend, aber dennoch von feinem Schnitt, gipfelt die Hässlichkeit der Puppen in einem grauenhaften Schädel, den noch dazu eine lächerliche Zipfelmütze krönt. Ihre dürren Ärmchen und Beinchen halten in den Gelenkstellen wirr verknotete Stricke zusammen, während die langfingrigen grazilen Hände der Frauen diese wackligen Mechanismen vor dem Absturz bewahren. Trotz dieser Fürsorge für das abscheuliche Spielgerät, dessen sonderbare Zierkleidung auch zum Schmunzeln anregt, bleibt den hingegen edel gewandeten Puppenspielerinnen eine Hand frei für ein Prunkzepter. Genau über den Puppenköpfen wird dieses Attribut von einer prachtvollen Mondsichel geziert.
Obwohl diese Überlegung eine ungemeine Drastik birgt, scheint Zander bei der Zusammenstellung dieser figürlichen Arrangements ein höchst ehrwürdiges Motiv christlicher Kunst vor Augen gestanden zu haben. So deutet vieles auf eine Muttergottes mit dem Kind hin, selbst das Blau der Frauengewänder ist im Bedeutungskanon der Farben seit dem Mittelalter für Maria reserviert.

Urbilder gänzlich umgekehrt

Werden die Bilder Zanders danach befragt, sind gleich noch weitere archetypische Elemente zu entdecken. Wie das Bild von der Muttergottes, der Einhornjagd, der Kreuzigung, der heiligen drei Könige, der Salome oder der apokalyptischen Schlange sind sie aber nicht nur dem christlich-biblischen Bereich entlehnt, sondern haben wie die Darstellungen des Kentauers Nessus, der Liebesgöttin Venus, der bösartigen Harpyien oder des Medusa-Bezwingers Perseus ihre Wurzeln auch in der antiken Mythologie.
Wie unser hier vorgestelltes Bildbeispiel zeigt, bleibt Zander aber keinesfalls in der bloßen Übertragung solcher Urbilder stecken. Er greift sie auf und befrachtet sie mit seiner eigenen ungemein ausschweifenden Gedankenwelt, auch wenn das bis zur völligen inhaltlichen Umkehrung traditioneller Aussagemuster führt. So haben Zanders Puppenspielerinnen sicher nichts mehr mit dem Edel und der Heiligkeit ihrer göttlichen Ausgangsfigur gemein. Was bei Maria den himmlischen Status einer Mondsichelmadonna anzeigt, wird in der Hand von Zanders Puppenspielerinnen zu einem gefährlichen Tötungsinstrument. Viel schlimmer noch ist aber der abstoßende Gnom, der den Platz des Christusknaben eingenommen hat und eine Perspektive erahnen lässt, über die alles andere als Vergebung und Sündenerlass steht. Schon beinahe harmlos mutet da das Ei als Geburtsstätte weiteren Unheils an, das ein Monster im Rücken der Puppenspielerin demonstrativ auf seiner Krallenhand dem Betrachter präsentiert.

Winfried Wiegand

 

Angaben zur Ausstellung:
Heinz Zander
In verschwiegener Landschaft
Malerei und Zeichnung
16. Mai bis 31. Oktober 2010, Schloss Elisabethenburg, Meiningen
Di – So, 10.00 – 18.00 Uhr
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erhältlich (136 S.)



Als Abbildung: Puppenspielerin, 2007    
Heinz Zander, Gemäldeaufnahmen, (September 2009)
Fotografien von Thilo Kühne, Demmeringstraße 20
04177 Leipzig
0171 2601705
www.photoplusdesign.de

 


 

(3) Heinz Zander in Meiningen - Porträts

Seit der Kunst der Renaissance, seit so ehrgeizigen Projekten wie Giorgio Vasaris (1511-1574) „Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Architekten“ hat sich ein schier unüberschaubares visuelles Arsenal von Künstlerbildnissen angesammelt, das bis heute ständig Zuwachs erhält. Obwohl er im Porträtfach nicht unbedingt als Spezialist zu verorten ist, wartet der Maler Heinz Zander in seiner großen Sonderausstellung im Schloss Elisabethenburg gleich mit vier bemerkenswerten autonomen Selbstporträts auf. Die Zahl der hier zu entdeckenden eigenen Konterfeis ist aber noch viel größer, zählt man noch jene mit, die sich in den zahlreich vorhandenen figürlichen Szenerien finden lassen.

Weites Experimentierfeld

Auch für Zander dürfte das Selbstbildnis zunächst ein unabdingbares Studienobjekt, ein weites Experimentierfeld für physiognomische Etüden sein. Nirgendwo anders schlagen sich der beständige Wandel und die jeweilige Befindlichkeit der eigenen psychischen und physischen Existenz so intensiv und nachhaltig nieder wie im Gesicht - dem Zentrum jeder Person. Wie die vier Beispiele in der Ausstellung zeigen, nutzte der Maler diese Bildform aber auch für eine gewisse Selbstinszenierung und für ein deutliches Bekenntnis zum eigenen Berufsstand als Künstler sowie zu den bevorzugten persönlichen Arbeitsmethoden und verehrten Vorbildern. Letztes schlägt sich sicher am optisch eindrucksvollsten in dem Porträt „Selbst mit herbstlicher Palette als Schüler des Hyacinthe Rigaud“, 2001 nieder. Als das größte der vier Bilder zeigt es den Maler mit Palette und Pinsel in einem Moment konzentriertem Innehaltens, wobei sein angespannter, aus schrägem Winkel, etwas von oben kommender Blick auch Souveränität verrät. Wie bei vielen seiner Figuren praktiziert, hat sich auch der Maler selbst in das Gewand einer früheren Zeit gehüllt, das in seinem reichen Faltenwurf und seiner edlen Stofflichkeit dem Träger eine besondere Würde verleiht. Hier schlägt sich der Bogen zu Hyazinthe Rigaud (1659-1743), der als Hofmaler Ludwig XIV. geradezu pompös inszenierte Porträts schuf. Nicht nur seine prominente ganzfigürliche Darstellung des „Sonnenkönigs“ ist zum Inbegriff der Malerei des Absolutismus geworden. Drückt sich mit diesem Selbstbildnis Zanders vor allem dessen Vorliebe für üppig inszenierte Kostümfiguren aus, deutet hingegen das kleinste seiner in der Ausstellung vertretenen Selbstporträts von 2009 auf die Vorbildwirkung eines anderen früheren Künstlers hin. Auf der Rückseite dieses Gemäldes hat der Leipziger Maler den Namen des Neapolitaners Salvator Rosa (1615-1673) notiert, der als Verfasser zahlreicher satirischer Texte wie Zander eine künstlerische Doppelbegabung besaß, nämlich als Maler und Schriftsteller. Auch die Schaffensmaxime Rosas, dass Maler unbedingt gelehrt sein müssen, scheint sich Zander zum Leitgedanken genommen zu haben.

Bezug zur eigenen Biographie

Obwohl sich das recht konventionelle Motiv des in aufrechter Haltung über die Schulter blickenden Künstlers auf den beiden weiteren Porträts in der Ausstellung beinahe spiegelbildlich wiederholt, verbindet sich mit dem Gemälde  „Selbst, geschmückt mit einer Draperie bestehend aus Wundverband und Mallappen“, 2007 noch ein ganz direkter Bezug zur Biographie Zanders. So weist der eigenartig ausgefranste Wundlappen an der Halspartie des Malers auf eine tatsächlich eingetretene gesundheitliche Gefährdung und damit erlittene persönliche Krise hin, die nur durch eine Operation zu beheben war. Als Bestandteil einer eigenen Symbolsprache sind Wundlappen an Armen und Beinen bei vielen Figuren Zanders zu registrieren und drücken wie ein Vanitasmotiv die individuelle, aber auch allgemeine Verletzbarkeit und damit das Vergehen der Zeit sowie irdischen Existenz aus.

Winfried Wiegand

 

Angaben zur Ausstellung:
Heinz Zander
In verschwiegener Landschaft
Malerei und Zeichnung
16. Mai bis 31. Oktober 2010, Schloss Elisabethenburg, Meiningen
Di – So, 10.00 – 18.00 Uhr
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erhältlich (136 S.)



Als Abbildung: Selbst, geschmückt mit einer Draperie bestehend aus Wundverband und Mallappen, 2007  
Heinz Zander, Gemäldeaufnahmen, (September 2009)
Fotografien von Thilo Kühne, Demmeringstraße 20
04177 Leipzig
0171 2601705
www.photoplusdesign.de


(4) Heinz Zander in Meiningen - Inselbilder

Obwohl der Maler Heinz Zander keinesfalls ein Vertreter der klassischen Landschaftsmalerei ist, brachte er für seine aktuellste Sonderausstellung im Schloss Elisabethenburg den Titel „In verschwiegener Landschaft“ ins Gespräch. Wie schon bei ihren Vorläufern („Hortus conclusus“, Panorama Museum Bad Frankenhausen, 1995 / „Zwischen den Inseln“, Universität Leipzig, 1999) wird damit auch diesmal auf ein nicht exakt bestimmbares Areal fokussiert, das der Phantasie des Künstlers entsprungen ist und sich in der Realität nicht finden lässt.

Inszenierte Kunstwelten

Bei einer kleinen Gruppe von Gemälden zum Thema Insel deutlich ablesbar, handelt es sich bei Zanders Landschaften um zusammengesetzte und mehrschichtige Kunstwelten - irgendwo im Nirgendwo. Sie sind nicht nur geistige Projektionsräume, sondern bilden auch den Rahmen, die Bühne und den Lebensbereich für die höchst eigenwilligen figürlichen Szenerien des Künstlers. Der Arbeitsweise eines Bühnenbildners ähnlich, hat Zander seine fernen Inselgestade aus südländischer Vegetation wie Sukkulenten, Palmen, Zypressen, Früchten und Blüten sowie aus Wolken-, Fels- und Meeresformationen zusammengestellt. Dieses ausgelassene Spiel mit landschaftlichen Versatzstücken ist auch bei einem anderen Werkkomplex der Ausstellung augenscheinlich, der in die steinerne Kargheit eines Hochgebirges führt. Während dort die Kühle eines blauen Lichts herrscht, sind Zanders Inselwelten von einem rotbraunen, warmen Kolorit. Mitunter geht es sogar in eine glühende Feurigkeit über, lässt erahnen, welche Schwüle und Hitze auf diesen kleinen Lebensräumen inmitten der Meere lastet. Wie die Bilder zeigen, haben sich dort Trägheit und Müßiggang breit gemacht. Dicke, glatzköpfige Männer liegen müde und mürrisch beim Picknick in den Klippen oder taumeln in sinnloser Fröhlichkeit auf einer schmalen Landzunge umher. Dazwischen findet sich allerlei gräuliches Meeresgetier, aber auch reizvolle nackte Nymphen, die man von vielen anderen Gemälden Zanders kennt.

Gefangen in Untätigkeit
 
Verführt und gefangen von der eigenen Untätigkeit könnte als Botschaft über all diesen Bildern stehen. Der kleine fettleibige Mann, der sich auf dem Gemälde „Inselmorgen“, 1998 lustlos aus den Federn quält, scheint diesem Schicksal schon gänzlich ergeben. Seine zerschlissene Kleidung deutet auf einen schon längeren Aufenthalt als Gestrandeter hin, der umgeworfene Kelch auf das, was er an den langen Abenden auf diesem abgeschiedenen Eiland so treibt. Führt man seine Gestalt und die dahinter diagonal verlaufende Vegetationsgruppe zu einem Gebilde zusammen, kommt unweigerlich die Darstellung eines Gekreuzigten in den Sinn. Der fette Schläfer wäre also für immer an diesen Ort „genagelt“ und seine Lebensperspektive von nun an vorbestimmt. Ob Zander mit der sonderbaren Figurengruppe rechts unten einen Hoffnungsschimmer setzt oder dem Betrachter mit dieser Bildfindung nur noch ein weiteres Rätsel auferlegt, muss offen bleiben. Wäre das Fräulein, das von einem fliegenden Fisch gezogen aus dem Maul eines noch größeren Fisches kommt, der biblischen Gestalt des Propheten Jonas entlehnt, stünde der Gedanke an die Auferstehung Christi und damit an Errettung nahe. Was ist aber, wenn diese Fischfrau nur ein ausgelassenes und verführerisches Versteckspiel mit dem trägen Männlein treibt und für weibliche List steht, die wie aus der Lebensgeschichte des antiken Kriegshelden Odysseus bekannt, an einen Ort und eine Lebenslage bindet?

Winfried Wiegand  


Angaben zur Ausstellung:
Heinz Zander
In verschwiegener Landschaft
Malerei und Zeichnung
16. Mai bis 31. Oktober 2010, Schloss Elisabethenburg, Meiningen
Di – So, 10.00 – 18.00 Uhr
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erhältlich (136 S.)



Als Abbildung: Inselmorgen, 1998
Heinz Zander, Gemäldeaufnahmen, (September 2009)
Fotografien von Thilo Kühne, Demmeringstraße 20
04177 Leipzig
0171 2601705
www.photoplusdesign.de

 


(5) Heinz Zander in Meiningen - Bemerkungen zu Cranach

Es ist immer aufschlussreich und zumeist auch spannend das Schaffen von Künstlern der Gegenwart nach möglichen Vorbildern und Orientierungslinien zu befragen. Gerade in dieser Hinsicht bietet sich mit einer großen Heinz Zander-Ausstellung in den Meininger Museen derzeit ein ganz besonderes Terrain, das eine kaum zu fassende Fülle konkreter Bezugspunkte bereithält und damit erlebnisreiche Ausflugsmöglichkeiten in viele Richtungen der Kulturgeschichte.

Enormer Vorlagenschatz
 
So heben die entsprechenden Analytiker neben seiner unverkennbaren altmeisterlichen Mal- und Zeichenkunst immer wieder den enormen Schatz an Vorlagen heraus, den sich Heinz Zander mit Beharrlichkeit und auf der Basis eines intensiven Studiums im Laufe eines schon langen Künstlerdaseins angelegt hat. Manches davon entspringt einer größeren kulturhistorischen Komplexität; anderes kann aber bis zu einer ganz konkreten Ausgangslage zurückverfolgt  werden. Bei dem Gemälde „Melancholie für Gartenarchitekten“ (2001) mag es nur Kennern gelingen, die Inspirationsquelle sofort zu erkennen, nämlich Albrecht Dürer mit seinem rätselhaften Meisterstich „Melencolia“ (1514). Anders bei einem Werk aus fünf gleichgroßen Tafelbildern, wo Zander selbst den entscheidenden Hinweis gibt, indem er in der Bildunterschrift von „Fünf Bemerkungen zu Cranach“ (1999) spricht.

Kunstkammerstücke

Tatsächlich erinnert bei dieser Folge aus fünf grazilen Frauengestalten vieles an die Kunst des berühmten und so ungemein produktiven Wittenberger Hofmalers. Mit seinen zahlreichen Aktbildern, eingebettet in erotische Motive wie „Venus und Amor“, „Die drei Grazien“ oder das „Paris-Urteil“ lieferte Lucas Cranach d.Ä. nicht nur eine begehrte Alternative zur damals kaum noch nachgefragten religiösen Malerei, sondern auch eine Kunst für den feinen und erlesenen Geschmack. Mitunter edlen Kunstkammerstücken gleich trifft für zahlreiche Bilder Zanders genau diese Einschätzung zu. Werden nun die fünf ausgewählten Frauenfiguren einer näheren Betrachtung unterzogen, erscheinen sogleich jene von Cranach entwickelten „Kindfrauen“ vor dem geistigen Auge, deren Physis oft von eigenwilliger Überlänge sowie skelett- und muskelos einer natürlichen Anatomie nicht entspricht. Auch die geschmeidigen Körpersilhouetten, die die Figuren scharf von den Fondflächen trennen und nicht zuletzt das grafische Gespinst, das die Haartracht der Dargestellten bildet, hat Zander in seine eigenen Bildüberlegungen einfließen lassen. Seine Anlehnungen an den prominenten Renaissancemaler sind aber nicht nur auf rein formale Parallelen begrenzt.
 
Raffinierte Versatz-Praxis

So pflegte schon Cranach im Umgang mit den klassischen Bildsujets und -motiven eine Art Versatz-Praxis, die mitunter bis zur Sinnwidrigkeit geläufiger ikonographischer Muster führte. Auch Zander bedient sich immer wieder einer solchen Methode - die fünf weiblichen Figuren sind ein beredtes Zeugnis dafür. In ihren figürlichen Anlagen teilweise wörtlich zitiert, sind sie gleich mehreren Gemälden Cranachs entlehnt. Doch Zander zeigt sich dabei keinesfalls als ein bloßer Kopist. So verwandelt er die mittlere der drei Göttinen aus Cranachs „Urteil des Paris“ (1530) in eine antike Daphne, die aus Angst vor den Nachstellungen Apolls die Gestalt eines Lorbeerbaums annimmt. Eine andere Göttin aus dieser Urteils-Szene wird sogar mit den signifikanten Merkmalen des Götterboten Merkur ausgerüstet und damit als neue Gestalt auf eine gänzlich andere Sinnebene gerückt. Einem offensichtlich schon von Vorläufern zum Einsatz gebrachten Prinzip folgend, versucht auch Zander eingefahrene Themen und Bildmotive zu durchmischen, was die Gedanken und Sinne seiner Rezipienten herausfordert und seinen Bildern eine zusätzliche Pointe gibt.

Winfried Wiegand


Angaben zur Ausstellung
Heinz Zander
In verschwiegener Landschaft
Malerei und Zeichnung
16. Mai bis 31. Oktober 2010, Schloss Elisabethenburg, Meiningen
Di – So, 10.00 – 18.00 Uhr
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erhältlich (136 S.)

 


Als Abbildung (en):
Fünf Bemerkungen zu Cranach: Eine vom Parisurteil als Daphne noch koketter, 1999
und
Fünf Bemerkungen zu Cranach: Eine vom Parisurteil – etwas Merkur eingestreut, 1999

Heinz Zander, Bildquelle / Fotos Panoramamuseum Bad Frankenhausen
 

 

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